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Reisen in der Corona-Zeit - Der Tragödie zweiter Teil

Im Mai hab ich mich zum ersten Mal seit über einem Jahr aufgemacht, um meine Familie in Deutschland zu besuchen. Zum ersten November, so hat man gemunkelt, sollte jetzt auch Israel seine Grenzen für Touristen öffnen. Weil ich kein Einwohner-Visum oder gar eine Staatsbürgerschaft habe, konnte ich meine Familie nicht schon während dem letzten Jahr als Angehörige einfliegen lassen, deswegen zählt für uns jetzt das Datum für Touristen.


Seit 21. Oktober wurden mögliche Besucher mit Infos vom ehemaligen Knessetmitglied Dov Lipman und seiner Organisation Yad L'Olim versorgt. Die Regelungen wurden genauso spontan geändert wie angekündigt und mein Herz ist immer fast stehen geblieben, wenn es Neuigkeiten gab. Vom anfänglichen "Ihr könnt kommen!!" bis "...also entweder, es klappt jetzt, oder dann eben in ein paar Monaten" war in den letzten zehn Tagen alles an Emotionen dabei.


Spoiler: Wir haben's geschafft!

Meine Mutter hat wohlweißlich nicht direkt am 21. Oktober einen Flug gebucht, aber passende Daten können wir uns ja schon mal frei halten. Nach dem Wochenende war der El Al-Flug am 3.11., den wir im Auge hatten dann aber komplett ausgebucht, viel später können meine Eltern aufgrund der strengen Regeln nicht einreisen, ihre zweite Impfung darf nämlich nicht länger als 180 Tage her sein. Ihr Zeitrahmen, mich zu besuchen begrenzt sich auf den 1. bis 16. November. Also dann direkt am ersten? Sind wir tatsächlich die Versuchskaninchen der Israelischen Regierung? Ja, klar, jetzt haben wir lange genug gewartet! Der 1.11. ist auch noch ein Feiertag in Bayern, und bevor ich meine Mutter wieder erreiche, erzählt mir mein Vater am Telefon, dass sie gerade schon bucht. Währendessen ist der Plan, Touristen einreisen zu lassen von Premierminister und Gesundheitsminister bestätigt, muss aber noch von der Knesset abgesegnet werden. Ok, dann pokern wir, jetzt oder nie.


 

Sprung zum 31. Oktober, ich träume mittlerweile von dem Formular, das meine Mutter 48 Stunden vor der Ankunft in Israel ausfüllen muss. Tagsüber sehe ich dann aber, es ist gar nicht so einfach wie in meinem Traum, es gibt natürlich Probleme, das System ist einen Tag vor Änderung der Regeln noch nicht eingestellt auf internationale Touristen. Die Helfer von Yad L'Olim sagen, wir sollen den Prozess so durchgehen, wie er laut der neuen Regeln veröffentlicht wurde - bisher aber nur in hebräisch auf der Seite des Israelischen Governments und der Israelischen Botschaft in Deutschland. Die Corona-Einreise-Website, auf der alles hochgeladen werden muss, also der wichtigste Baustein im Prozess berichtet nach wie vor, dass jeder Ausländer eine spezielle Einreisegenehmigung braucht.


Innerhalb der 48 Stunden vor Abflug laden wir dort die angeforderten Impfzerztifikate hoch, zurück kommt eine Email mit dem Namen und der Passnummer meiner Mutter, dem Status "nicht geimpft oder genesen" und dass sie für 14 Tage in Quarantäne müsste, die man auf 7 kürzen kann, mit zwei negativen Tests. Während mir gleichermaßen graue Haare und Pickel im Gesicht anfangen zu sprießen, kommt eine halb-offizielle Meldung, dass das Formular nicht funktioniert. Halb-offiziell, weil wie vorher schon alles über Yad L'Olim läuft, von der Regierung direkt gibt's gar keine Infos, außer Social Media Posts, dass das Land am 1.11. für Urlauber öffnet. Aus anderen Ländern erfahren wir, dass Leute am Flughafen nicht durch die Kontrollen kommen, obwohl sie ganz legal am 1.11. in Israel landen könnten. Ich akzeptiere langsam, dass meine Mutter nicht kommen kann, weil sie sicher nicht ihre 7 Tage in Israel in Quarantäne verbringen will.


Am 1.11. morgens versuchen wir, das digitale EU Impfzertifikat als PDF hochzuladen, zusammen mit ihrem negativen Testergebnis vom Vortag. Ich bin froh, dass ich als Designer mit allen unterschiedlichen Dateiformaten arbeite, ab jetzt müssen auch Senioren, die gern nach Israel einreisen würden den Unterschied zwischen JPG und PDF kennen, und wie man meherere PDF Dateien kombiniert. Und - oh Wunder! Ihr Dokument wird angenommen, ein paar Sekunden nachdem wir alles ausgefüllt hatten kam schon eine E-Mail mit einer Einreisegenehmigung, die bestätigt, dass sie nur maximal 24 Stunden in Quarantäne muss, oder bis sie über ein negatives Testergebnis benachrichtigt wird.


Das letzte(?) Hindernis ist jetzt, dass auf der Lufthansa-Website immer noch die alten Einreisebestimmungen gezeigt werden und eine Spezialgenehmigung verlangt wird. Drei mal haben wir jemanden erreicht, die erste sagte, das wird dann natürlich geändert, wenn das auf der Israelischen Seite so steht. Der zweite sagt, als Callcenter Agenten sind sie gar nicht verantwortliche für Einreise-Regelungen und können nichts machen, das Bodenpersonal weiß ja bestimmt bescheid. Beim dritten Anruf, diesmal direkt in Tel Aviv erfahre ich, dass es völlig egal ist, was auf der Lufthansa-Seite steht. Meine Mutter kann trotzdem nicht einchecken, die Seite ist der festen Meinung, dass das nur mit Sondergenehmigung geht.


Meine Mutter fliegt nicht alleine, sie wird von einer Seniorin aus unserem Heimatort begleitet, die auch ihre Familie besuchen will. Und hier kommt diesmal das Problem auf der deutschen Seite: sie hat keinen digitalen Impfausweis und keine auch Corona-App. PDF-Dateien, was? Und so rasen meine Eltern am Feiertag morgens zur Notfall-Apotheke, um ihre Impfung digitalisieren zu lassen. Abends am Flughafen stellt sich heraus, dass die Frau trotz ausgedrucktem EU Impfzertifikat nicht ohne die Corona-App hätte boarden können.


Als wir dann parallel in Deutschland und Israel versuchen, das Zertifikat der Frau hochzuladen ist die Israelische Seite mit dem Corona-Formular nicht zu erreichen - das System wird mittags um 11 umgestellt und ist einfach für niemanden mehr erreichbar. Wie könnte man auch damit rechnen, dass es schon Leute gibt, die zum beworbenen Zeitpunkt ins Land reisen möchten?


 

Meine Mutter meldet sich vom Flughafen, sie sind eingecheckt! Außer der Corona-App gab es keine Schwierigkeiten, alles, was die Lufthansa sehen wollte waren:

  • ein negatives Testergebnis

  • das Schreiben, das bestätigt, dass man das digitale Einreiseformular für Israel ausgefüllt hat

  • einen digitalen Nachweis über entweder 3 Impfungen ODER 2 Impfungen innerhalb der letzten 180 Tage ODER über eine Genesung mit einer Impfung innerhalb der letzten 180 Tage (alle Angaben ohne Gewähr)

Ich bin der festen Meinung, dass ab jetzt nichts mehr schief gehen kann "Meldet euch, wenn ihr gelandet seid!"


Am Morgen bekomme ich zwei SMS, eine, die bestätigt, dass meine Mutter maximal 24 Stunden in Quarantäne muss und eine zweite mit 14 Tagen. Ich habe mittlerweile gelernt und kontaktiere direkt Yad L'Olim, beim Gesundheitsministerium ist niemand zu erreichen und meine Mutter blickt am Flughafen auch nur in fragende Gesichter - Was, zwei SMS? Das kann nicht sein. Niemand ist so wirklich auf die Ankunft von Touristen eingestellt.


Auf dem Weg zum Flughafen, von zuhause etwa 1,5 Stunden bleibt das Navi strikt der Meinung, wir haben noch 1 Stunde 20 Fahrtzeit, immer wieder springt die Berechnung um und wir schlängeln uns durch einen Stau nach dem anderen. Statt um wie geplant 7 Uhr kommen wir um 8:30 am Flughafen an, es entspringt noch fast ein Beziehungsstreit, weil ich sage meine Mutter wartet bei Departures (in der Sonne), mein Freund glaubt ich habe das falsch übersetzt und fährt zu Arrivals. Meine Mutter versucht währendessen wieder in den Flughafen rein zu kommen, um vom 3. auf den ersten Stock zu gelangen. So sicher, wie der Flughafen bewacht wird, und abwechselnd Tore 1, 2 und 3 geöffnet sind, zieht sich das noch mal eine ganze Zeit hin... Bis sie dann endlich raus kommt! Gever unser Hund hat sie gleich wieder erkannt, Karla, die noch nicht geboren war, als sie zum letzten mal hier war hat sie auch etwas zögerlich, aber fröhlich begrüßt. Jetzt ab nach Hause, meine Mutter muss immerhin in Quarantäne, bis wir das Testergebnis bekommen.


Unterwegs halten wir an einer Tankstelle, mein Freund ist auch komplett übermüdet und braucht einen Kaffee. Ich kaufe Kaffee und Teilchen und vergesse vor lauter Aufregung den Kaffee in der Tankstelle, aber es wäre nicht Israel, würden sie mir am Fenster nicht glauben, dass ich wirklich einen bestellt und bezahlt habe. Mein Handy klingelt, gleichzeitig trudeln 2 SMS und 2 Emails ein, vom Testzentrum und dem Gesundheitsministerium. Das Testzentrum schickt einen Link, unter dem ich den Corona-Status überprüfen kann, aber es gibt noch kein Ergebnis einzusehen. Nach einem kurzen Telefonat erklärt man mir, dass es maximal 24 Stunden dauern kann, die SMS käme automatisch.


Das Gesundheitsministerium schickt 2 Dateien. Wieder eine, mit der Entlassung aus der Quarantäne nach 14 Tagen und eine mit dem Datum von... heute? Sie ist doch gerade erst gelandet? Dass niemand so richtig weiß, was zu tun ist, ist ja mittlerweile der Normalzustand, aber ich sehe nur wieder 14 Tage und mir wird wieder schlecht vor Aufregung.


Zuhause angekommen übernimmt meine Mutter das Schlafzimmer, jetzt kommt die Quarantäne ganz gelegen, erst mal ausruhen. Ich arbeite ein bisschen und bekomme wieder die rettende Antwort von Yad L'Olim: Das Dokument mit 14 Tagen ist ein Standard-Prozedere, das jeder Einreisende bekommt, was zählt ist die Ausnahmeregelung. Und so erfahren wir nach stundenlanger Quarantäne, dass wir schon längst die Befreiung in Händen halten - zumindest als digitale Datei.


Also, an alle, die vor haben in den nächsten Tagen nach Israel zu reisen: Checkt alle Dokumente drei mal, habt alles digital und ausgedruckt und bevor ihr euch wahnsinnig macht, weil irgendwo was von einer langen Quarantäne steht, fragt lieber noch mal nach.

Und wer nicht unbedingt gerade jetzt einreisen muss, um seine Familie zu sehen, sollte sich das noch mal gut überlegen, meine Mutter ist als erfahrene Israelreisende davon überzeugt, dass sie ohne Tochter vor Ort nicht durchgeblickt hätte und es viel zu viel Aufwand nur für einen Urlaub wäre.



 

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