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Blog

Von Schweinen umzingelt

Gerade in Israel erwartet man mit seinem hohen jüdischen und muslimischen Bevölkerungsanteil nicht gerade, vor Schweinen flüchten zu müssen. Nicht so bei uns in Haifa.

Foto: Max Saeling, ich habe ja leider keine Hände frei, um die Schweine zu fotografieren...

Es ist kurz vor 23 Uhr, ich drehe mit unseren Hunden die Abend-Runde in der Nachbarschaft, am Telefon meine Mama. "Wundere dich nicht, wenn ich auf einmal auflege, dann haben wir wieder Wildschweine getroffen..." Es ist so absurd, wie normal die Situation in Haifa geworden ist. Jeden Abend ziehen Rotten von Schweinen, von riesengroß bis zu niedlichen Ferkelchen auf der Suche nach Futter durch unsere Nachbarschaft. Dabei öffnen sie geschickt Mülltonnen, stupsen Papierkörbe am Wegesrand um und hinterlassen vor allem den typisch wildschweinigen Geruch - ganz zur Freude unserer Hunde. Die wissen nämlich gar nicht, was auf einmal abgeht und sind gar nicht begeistert, dass locker 50 bis 100 Kilo schwere wilde Tiere auf unserem Spaziergang "Hallo" sagen.


Die Wildschweine haben im Lockdown 2020 die Stadt zurückerobert, nachdem die Stadtverwaltung 2019 verboten hatte, sie zu jagen. Am Anfang wurden sie nur ab und zu im höher gelegenen Teil Haifas auf dem Carmel-Berg gesichtet, aber weil sich der Wald durch die ganze Stadt zieht, sind sie bis zu uns runter ans Meer gekommen. Gerade letzte Woche postete jemand ein Foto vom Wildschwein, dass "den Sonnenuntergang am Strand genießt".


Ich spaziere weiter, halte die Augen offen und die Hunde fest an der Leine. Abends kann man fast nur noch auf den Hauptstraßen spazieren, ich wurde schon ein paar Mal von Wildschweinen überrascht, die plötzlich um die Ecke kamen. "Oh, da steht ein Schwein auf dem Vorplatz der Synagoge" - Ein Satz, den so noch niemand gesagt hat. Meine Mama und ich fragen uns ein paar Minuten später, wieso ich eigentlich noch nie im Blog über die Schweine geschrieben habe. Es ist für uns einfach normal geworden, wir haben uns an die Absurdität gewöhnt. Auf dem Heimweg muss ich noch zwei mal die Route wechseln, weil mir Schweine entgegen kommen und den Weg versperren, mit den Hunden kann ich nicht einfach so an ihnen vorbeigehen. Die Wildschweine sind mittlerweile übrigens an Menschen gewöhnt, oft genug werden sie fotografiert und sogar gefüttert. Einer der wenigen, der von einem Wildschwein angegriffen wurde, war ein Mann, der mit seinem Hund spazieren ging.


Die Stadtverwaltung interessiert sich leider eher weniger für das Problem, es wurden wohl an manchen Wäldern Zäune aufgebaut und Papierkörbe in Parks im Boden einbetoniert (die die schlauen Schweine auch so schaffen auszuräumen) und meine liebste Lösung von allen: Warnschilder mit einem Wildschwein und der Beschriftung "Achtung, Haifaer Schweine in der Gegend!" Lassen wir doch unser Problem mit den großen, wilden Tieren zu einem kultigen Stadt-Accessoire machen! Später im Jahr haben wir regionale Wahlen und ich hoffe, das Problem wird mit einem neuen Bürgermeister gelöst, der vielleicht auch Hunde hat - und wenn nicht, dann vielleicht einfach etwas Empathie. Drückt mir die Daumen.

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