Der Kibbutz war natürlich mehr als nur Arbeit. Kurz nach meiner Ankunft dort haben unsere drusischen Mitarbeiter in der Fabrik ein Barbecue geschmissen, inklusive Livemusik und Tanz. Wir machten Ausflüge nach Yokneam, das ist die nächste Stadt mit einem Einkaufszentrum, oder nach Haifa ans Meer. Meistens sind wir getrampt, die Busse fahren ähnlich wie in meinem Heimatdorf in Deutschland sehr unregelmäßig und vor allem selten. Wenn man allerdings einen Bus erwischt, klappert dieser, bevor er Yokneam erreicht, erst einmal alle anderen Kibbutzim auf der Strecke ab - und braucht statt etwas mehr als 10 Minuten fast eine dreiviertel Stunde.
Nur einmal war mir kurz mulmig beim Trampen - ein Auto voller Männer hat mich mitgenommen - wohlgemerkt aus dem Kibbutz heraus - sie fahren direkt an der Mall X, zu der ich wollte vorbei und nehmen mich gern mit. Später auf der Landstraße, wo es eigentlich rechts ging, fuhren wir geradeaus. Ich wollte nicht zeigen, dass ich verunsichert bin, meine Hebräischkenntnisse waren sowieso nicht gut genug, Arabisch gar nicht vorhanden, so fuhren wir weiter und weiter... Bis wir dann zum anderen Ende der Stadt kamen, Mall Y erreichten und die Männer mich aus dem Auto ließen - sie waren der festen Meinung, es gibt nur ein Einkaufszentrum hier.
Jeden Monat gab es außerdem für uns Volontäre einen geführten Tagesausflug mit Tourguide, für manche ist der Kibbutzaufenthalt immerhin der erste Besuch in Israel. Und mir brummt immer noch der Schädel, wenn ich mich an die eine Fahrt erinnere - es war einen Tag nachdem wir meinen Abschied aus dem Kibbutz gefeiert haben und der Guide kündigt an, dass wir die Golan Winery besuchen, inklusive Weinprobe und allem drum und dran.
Die meisten meiner Mit-Volontäre kamen übrigens aus der ganzen Welt, meine besten Kibbutz-Freunde waren eine Gruppe Kolumbianer und Koreaner, manche von ihnen sind nach Israel eingewandert, ein anderes Paar hatte sich im Kibbutz kennen gelernt und ein paar von uns waren später auf ihrer deutsch-kolumbianischen Hochzeit.
Dass ich noch mal im Kibbutz gearbeitet habe, als ich meinen Freund im Urlaub kennen gelernt hatte, habe ich an anderer Stelle schon erzählt. Gleicher Kibbutz, ähnliche Arbeit, immerhin auch in der Fabrik, neue Mitarbeiter und neue Volontäre. Und ich bin auf einmal 5 Jahre älter als beim ersten Mal. Jetzt fällt mir auf, wie ich wohl damals auch gewesen sein muss: frisch aus dem Elternhaus ausgezogen, denkend ich weiß alles vom Leben in der großen, weiten Welt, aber eigentlich weiß ich nichts. Solche Freundschaften, wie aus meiner ersten Kibbutz-Zeit findet man selten und so pendele ich jedes Wochenende nach Haifa, statt die Shabbat-Abende wie vor ein paar Jahren immer im Kibbutz-Café zu verbringen.
Der Feierabend war im Sommer aber angehnehmer, als in den Wintermonaten, denn jetzt hat der Pool auf und ich ging jeden Tag direkt nach der Arbeit meine Runden schwimmen. Im Winter hat für uns Volontäre alle paar Tage für ein paar Stunden der Fitness-Raum geöffnet, wo ich mich von einer realen Version des Zohan hab triezen lassen.
Der gleiche Zohan-Zwilling war auch kurze Zeit mein Chef: Über Pessach waren die Fabriken geschlossen, so mussten die Volontäre, die ihre Urlaubstage schon anderweitig gebraucht haben beschäftigt werden - mit Gartenarbeit! Es waren nur ein paar Tage, aber es war bei dieser Hitze wahrscheinlich die härteste Arbeit, die ich je gemacht habe. Hecken schneiden, Blätter rechen, eine richtige Sisyphusarbeit. Aber endlich fühlt sich's an, wie ich mir immer das Leben im Kibbutz vorgestellt hab!
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