Als meine Mutter Ende der 90er aus ihrem ersten Israelurlaub nach Hause kam, schwärmte sie von den Kibbutzim überall und war sich sicher: Mein Bruder wird nach seinem Schulabschluss für ein Jahr nach Israel gehen und in genau so einem Kibbutz arbeiten - und sie kann ihn dann immer besuchen. Ein Sprung in die Zukunft, als es dann so weit war, hatten wir mit Israel nicht so viel am Hut, mein Bruder schon gar nicht und die Musik war für ihn interessanter, als in ein unbekanntes Land auszuwandern. Aber er hat ja noch eine kleine Schwester - mich. Und so hat es mich nach ein paar Israelreisen während meinem Studium voll erwischt, ich hab mich gleich ins Land verliebt und ok, nicht nur ins Land - oooh, wie sind die Leute dort schön!
Ich wollte also unbedingt nach meinem Bachleor für längere Zeit nach Israel und erinnerte mich an die Kibbutz-Schwärmereien meiner Mutter. Und kaum war die Bachelorarbeit abgegeben, stieg ich schon in den Flieger - zum ersten Mal alleine. Wie aufregend! Bevor der Ernst des Kibbutz-Lebens losgeht, nehme ich mir aber erst mal eine Auszeit - sechs Wochen in Tel Aviv, eine Wohnung ein paar Minuten vom Strand weg und viele, viele Livekonzerte waren genau, was ich nach meiner Uni-Zeit gebrauchen konnte.
In Tel Aviv besuchte ich dann auch das Büro des Kibbutz Volunteer Programs, die Organisation, die mir mein Visum besorgt hat und mich jetzt einem x-beliebigen Kibbutz irgendwo im Land zuteilt. Ich hoffe, dass ich nicht unbedingt in der Nähe zum Gazastreifen wohnen würde - und am liebsten auch nicht zu weit weg vom Zentrum, ich habe jetzt schon geplant, öfters meine Wochenenden in Tel Aviv zu verbringen. Eine Freundin empfiehlt mir einen Kibbutz im Norden, in der Nähe von Haifa, dort sind sie mit Volontären gerade gut versorgt - aber einer der Kibbutzim nebenan hat Platz! Ein Hashofet, die Quelle des Richters wird also mein neues Zuhause.
Was ist eigentlich ein Kibbutz? Es begann als eine Art Dorf oder Kommune, mit dem Hauptgedanken bei der Zusammenarbeit: Jeder arbeitet für den Kibbutz das, was er kann und bekommt vom Kibbutz, was er braucht. Nach getaner Arbeit zieht man sich nicht ins pirvate Haus zurück, sondern isst gemeinsam im Speisesaal, wo andere Kibbutzmitglieder den Küchendienst übernehmen. Die Kinder haben nicht bei ihren Familien gewohnt, sondern im Kinder-Haus, zusammen mit allen anderen jungen Kibbutznikim. Kaum zu glauben, aber das ist noch gar nicht so lange her, ich hatte mal eine Hebräischlehrerin, die genau so aufgewachsen ist. Von 1910 bis heute hat sich einiges verändert, auch in den Kibbutzim. Fast alle sind mittlerweile privat, die Kinder wachsen in ihrer Familie auf und die Mitglieder arbeiten auch außerhalb des Kibbutz und behalten ihr eigenes Gehalt für sich.
Zurück ins Jetzt - ich sitze also im Bus Richtung Norden, alles was ich weiß ist, jemand wird mich am Bus abholen und in den Kibbutz bringen. Dort angekommen sehe ich kleine, weiße Häuschen, mit je 3 Zimmern, einer offenen Küche und einem Bad. Das wird mein Zuhause für die nächsten Monate, Katzen inklusive. Ich bekomme meine Arbeitskleidung und erfahre, dass ich in einer der beiden Fabriken arbeiten werde - nagut, immerhin gibt's dort eine Klimaanlage und im Verlgeich zur Küche wird dort nur 5 Tage die Woche gearbeitet.
Und der Kibbutz ist wirklich so, wie man sich ihn immer vorstellt: weite Felder, Kühe, wir haben sogar einen Kleintierzoo und werden jeden Morgen vom Hahnkrähen geweckt. Urlaub auf dem Bauernhof, nur ohne Urlaub. Meine Arbeit in der Schraubenfabrik beginnt und ist nicht divers genug, um lange darüber zu schreiben: Es werden kleine Papp-Boxen gefaltet und je nach Schraubenart mit einer Waage eine bestimmte Anzahl Schrauben verpackt. Das hab ich ein paar Monate lang gemacht und war froh über meine Sammlung Hörbücher, da verschlingen sich die Stephen King-Wälzer wie von selbst.
Was mir am Kibbutz so gefallen hat, war die Nähe und das Zusammenleben miteinander, nicht nur der Volontäre, auch mit den Kibbutz-Mitgliedern in unserem Alter. Nach getaner Arbeit ging's abends in den kibbutzeigenen Pub, ab und zu mit Livemusik. Als Volontär wird das Bier mit einer Stempelkarte bezahlt, die wir vorher tagsüber kaufen mussten. Ähnlich lief die Bezahlung im Kolbo, dem Kibbutz-Supermarkt ab, man kann nur mit Mitglieder- oder Kreditkarte bezahlen, nicht mal ein Eis kriegt man in bar. Also gut einteilen und die Karten rechtzeitig aufladen. Das geht zwei mal die Woche bei der Kupa, der Kasse und sozusagen Kibbutz-Bank, die uns Volontären jeden Monat den Restbetrag, den wir nicht für Essen gebraucht haben, in bar auszahlt.
Weil es so viel vom Kibbutz zu erzählen gibt, war das hier nur Teil 1, nächste Woche geht es weiter mit meinen Erinnerungen an's "simple life".
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