Die stressigste Woche des Jahres liegt hinter uns. Endlich geschafft! Mein erstes Pessach-Seder als Jüdin! Und wie stolz war meine Schwiegermama, als ich den ganzen Teil mit der wichtigen Frage "Was unterscheidet diese Nacht von allen anderen Nächten?" so schön auf Hebräisch vorgelesen habe!
Wir sind mitten zwischen den Pessach-Feiertagen, es gibt einen am Anfang und einen am Ende der Pessach-Woche. Und weil ein hebräischer Tag abends beginnt, sind die Tage vor dem Feiertag jeweils ein halber Arbeitstag, genauso wie sonst Freitag, beziehungsweise der Samstag in Deutschland. Auch wenn wir die Vormittage dieser "halben Tage" damit verbringen, im Supermarkt an ewigen Schlangen zu stehen und im Haushalt Vorbereitungen auf den Feiertag bzw. Shabbat zu treffen, wir haben sie uns doch verdient!
Als wäre die Woche vor Pessach nicht schon stressig genug, hatten wir auch noch Termine bei sämtlichen Ämtern, bzw. einmal keinen Termin und warteten 6 Stunden. Es war wichtig, aber wir hätten die Zeit doch auch lieber mit dem klassischen Pessach-Putz verbringen können, von dem ich vor 2 Jahren schon mal erzählt habe. Wenn dann in den Tagen vor Pessach auch noch andere Leute schon im Urlaub sind, dauert alles noch mal länger und in meinem Fall habe ich bis kurz vor dem Seder einen Kollegen vertreten - inklusive Meeting, bei dem ich auf dem Boden im Schlafzimmer saß, weil mein Mann gerade den Rest der Wohnung auf den Kopf gestellt hatte, um auch an die letzten Krümelchen Chametz zu kommen. Meine Ecke im Schlafzimmer hatte immerhin einen neutraler Hintergrund für mein Video-Meeting. Dass unsere Hündin aber direkt hinter mir hin und her spaziert ist und so verraten hat, dass ich ganz offensichtlich nicht ganz professionell auf einem Schreibtischstuhl, sondern auf dem Boden sitze, sehe ich erst später in meinem kleinen Video-Fenster...
Jetzt aber mal langsam, ich werfe mit Begriffen um mich, von denen ich immer irgendwie automatisch ausgehe, dass sie jeder versteht, der etwas mit Israel am Hut hat. Hier also kurz die wichtigsten Pessach-Begriffe schnell erklärt:
Seder
oder Seder-Abend, in hebräisch Leil HaSeder. Der Abend von Pessach und ein großes Familienfest, bei dem wir erst die Geschichte vom Auszug aus Ägypten lesen, gefolgt von einem großen Abendessen und weiteren Gebeten und Liedern. Traditionell gibt's Lamm, Matzenbrot und einen Seder-Teller mit 6 Lebensmitteln, die alle symbolisch für wichtige Punkte im Exodus stehen, zum Beispiel mein Favorit, Charoset, eine Art süßer Aufstrich aus Datteln, Nüssen, Zimt und süßem Wein, steht für den Lehm, den die Hebräer als Sklaven in Ägypten für ihre Arbeit verwendet haben.
Chametz
"Das Böse" und wir vermissen es schon ganz schön: Gesäuertes. Aber nicht nur Brot, auch andere Lebensmittel, die Getreide enthalten, wie Gebäck und sogar Bier. Außerdem der eigentliche Grund für den Pessach-Putz, alles Gesäuerte wird aussortiert und weggeworfen oder weggesperrt (bei den Preisen in Israel unsere Option für manche Vorräte). Außerdem wird unser Geschirr zuhause "gekaschert", also koscher für Pessach gemacht, wenn man den Rest des Jahres Gesäuertes davon isst. Alternativ dazu hat man Teller, Tassen und Töpfe, die man nur zu Pessach benutzt. Im klassischen israelischen Supermarkt ist alles Chametz verdeckt, es wird nur "Koscher für Pessach" verkauft. Wer nicht jüdisch ist, kann natürlich in christlichen oder muslimischen Geschäften "normales Brot" kaufen.
Kitniyot
Was erlaubt ist und was nicht, hängt von der Tradition und Abstammung ab. Für aschkenasische (europäische) Juden zählen auch Kitniyot zu Chametz - Reis, Hülsenfrüchte, Linsen, Mais... Was habe ich für ein Glück, in einer sefardische (grob zusammengefasst "orientalische", in meinem Fall marokkanische) Familie gelandet zu sein, bei uns sind Kitniyot nämlich erlaubt. Was wäre auch ein Feiertagstisch ohne Reis und Humus! Mittlerweile gibt es alle möglichen Alternativen, wie "koscher für Pessach"-Cornflakes, Brötchen, und und und. Man könnte meinen, uns fehlt an nichts, wären da nicht die Pita-Brote, die mein Mann gestern Abend erwähnt hat...
Mimouna
Noch etwas typisches für meine marokkanische Familie: Am Abend, nachdem der letzte Pessach-Feiertag vorbei ist, beginnt die große Chametz-Party mit den besten orientalischen Leckereien: Datteln, Kekse, Baklavah und das beste von allen: Mufletot. Eine Mufleta ist eine Art hauchdünner Crêpes, nur mit noch mehr Öl und Butter, die mit Honig bestrichen werden. Und weil sie so dünn sind, isst man am Ende umso mehr davon. Wenn das mal keine schöne Art ist, das Chametz wieder willkommen zu heißen. Und Karlas Blick im Foto sagt denke ich alles... :)
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